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NIR

Nah-Infrarot-Spektroskopie

NIR wird regelmässig zur Analyse eingehender Waren oder auch direkt im Produktionsablauf genutzt. Durch diese Methode lassen sich gleichzeitig diverse Parameter schnell und zerstörungsfrei bestimmen.

Was ist Nah-Infrarot-Spektroskopie?

Nah-Infrarot-Spektroskopie (NIR-Spektroskopie) basiert auf der Reaktion von Molekülbindungen innerhalb einer Probe auf NIR-Strahlung (800 nm bis 2’500 nm). Sobald NIR-Licht mit einer Probe interagiert, wird das Licht entweder absorbiert, gestreut oder reflektiert. Diese Proben-Licht-Interaktionen erzeugen ein Spektrum, das direkt die Zusammensetzung und die physikalischen Eigenschaften der Probe wiedergibt.

Die Absorptionen (Spitzen) beziehen sich je nach Wellenzahl/Wellenlänge/Energie des absorbierten Lichtes auf unterschiedliche Funktionsgruppen. Das NIR-Spektrum eines Feuchtigkeit enthaltenden Produktes weist beispielsweise Spitzen für die Funktionsgruppe O-H in einem Bereich von ca. 1’400 bis 1’500 nm (7’100 bis 6’500 cm-1) und ca. 1’900 bis 2’000 nm (5’200 bis 5’000 cm-1) auf.

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Abbildung 1: Beispiel von NIR-Spektren eines Probentyps
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Abbildung 2: Absorptionsbereiche unterschiedlicher Funktionsgruppen
 Kombinationsbänder
 1. Obertöne
 2. Obertöne
 3. Obertöne

Spitzen in einem NIR-Spektrum sind breit und neigen zu Überlappung. Es ist zumeist nicht möglich, Informationen direkt aus dem Spektrum abzuleiten. Stattdessen sind Kalibrationen auf der Basis von Referenzdaten aus Standardmethoden (Nasschemie) nötig. Deshalb gilt NIR als Sekundärmethode. Messungen sind Vorhersagen auf Grundlage chemometrischer Kalibrationsmodelle.

Die Kalibration an sich mag zwar ressourcenintensiv sein, die Routineanalyse dagegen ist schnell und effizient. Dank der Einfachheit der NIR-Methode können Bediener jedes Kenntnisniveaus gute Messergebnisse erzielen. Um die Übernahme von NIR zu beschleunigen, lassen sich vorkalibrierte Anwendungen mit diversen Proben unterschiedlicher Zusammensetzung und Herkunft verwenden.

Welche Parameter können mit Nah-Infrarot-Spektroskopie gemessen werden?

Nach der Kalibration des Systems können viele verschiedene Parameter gemessen werden, sofern eine Komponente sich auf die NIR-Spektren auswirkt. Deshalb wird die NIR-Analyse vorwiegend für organische Substanzen genutzt (anorganische Substanzen interagieren nur wenig mit NIR-Licht). Die Tabelle enthält die am häufigsten analysierten Parameter, aber es sind viele weitere möglich, z. B. Laktose, Salz, Gluten, Säuren, Alkohol usw.

  • Feuchte
  • Protein
  • Fett (oder Öl)
  • Asche
  • Ballaststoffe
  • Zucker

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Wie wird ein NIR-Kalibrationsmodell entwickelt?

Unabhängig von Kalibrationstyp, quantitativer Analyse oder Bestimmung müssen dem Gerät Matrizen und Zusammensetzungen «beigebracht» werden.

Für den Aufbau einer quantitativen Kalibration müssen Proben mit dem NIR-Gerät gemessen und anschliessend über eine Referenzmethode wie z. B. Kjeldahl, Fettextraktion, Trocknungsofen, HPLC, Titration usw. analysiert werden. Das Kalibrationsmodell wird dann auf der Basis der NIR-Spektren zusammen mit den zugewiesenen Referenzwerten erstellt. Da jede Matrix (jeder Produkttyp) ein unterschiedliches Spektrum ergibt, ist pro Matrix und Parameter eine Kalibration erforderlich. So kann die Kalibration für z. B. den Feuchtegehalt in Käse nicht auch zur Bestimmung der Feuchte im Boden verwendet werden.

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Abbildung 3: Ablauf der Entwicklung quantitativer NIR-Kalibrationen
Ⓐ Messung mit dem NIR-Gerät
Ⓑ Referenzanalyse (z. B. Extraktion)
Ⓒ Hinzufügen von Referenzwerten zu den Spektren
Ⓓ Kalibration entwickeln oder aktualisieren
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Abbildung 4: NIR-Kalibrationsdarstellung mit vorhergesagten vs. Referenzwerten

Anhand dieser Vorgehensweise können Kalibrationen für diverse Produkte und Parameter erstellt werden. Allgemein lässt sich die Nah-Infrarot-Spektroskopie für die Messung von Parametern im Prozentbereich anwenden. Bestimmungen in niedrigeren Bereichen sind weniger genau oder sogar unmöglich. Auch die Unterscheidung zwischen zwei verschiedenen Parametern mit einer ähnlichen chemischen Struktur kann schwierig werden.

Für Rohstoffbestimmungen werden so genannte Cluster-Kalibrationen erstellt. Dabei wird das NIR-Spektrum der verschiedenen Produkte aufgezeichnet und dann den jeweiligen Substanzen zugeordnet. Wenn das Spektrum eines Materials in eines dieser Cluster fällt, wird es als diese Substanz erkannt.

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Abbildung 5: Wie werden Cluster-Kalibrationen in der Nah-Infrarot-Spektroskopie entwickelt?
Ⓐ Messung mit dem NIR-Gerät
Ⓑ Referenzanalyse (z. B. HPLC)
Ⓒ Zuordnung der Substanzen zu den Spektren
Ⓓ Kalibration entwickeln oder aktualisieren
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Abbildung 6: Beispiel einer 2D-Projektion einer NIR-Cluster-Kalibration
Ⓐ Zellulose
Ⓑ Siliziumdioxid
Ⓒ Glukose
Ⓓ Stärke

Tipps zur Entwicklung erfolgreicher NIR-Kalibrationsmodelle

Die Genauigkeit und Präzision von Messungen mit einem NIR-Gerät basieren auf den Kalibrationsmodellen, die wiederum von der Anzahl und der Auswahl an Kalibrationsproben sowie der Qualität der aus den primären Analysemethoden gewonnenen Referenzwerte abhängig sind.

Faktoren bei der Entwicklung von NIR-Kalibrationsmodellen

  • Die Kalibrationsproben sollten die gesamte Bandbreite der Produktvariablen repräsentieren, also z. B. Zusammensetzung, Partikelgrössen, Varianten bezüglich Lieferant/Charge, Unreinheiten, Temperaturbereiche, Jahreszeit und dergleichen.

  • Es ist nicht leicht vorherzusagen, wie viele Proben für den Aufbau von Kalibrationen nötig sind. Die Proben sollten gleichmässig über die gesamte Bandbreite erwarteter Proben verteilt sein. Für einen grossen Arbeitsbereich werden bei Aufbau einer Kalibration insgesamt mehr Proben benötigt als bei einem kleinen. Je mehr Proben vorhanden sind und je mehr Variationen durch sie abgedeckt werden, umso robuster wird das Kalibrationsmodell.

  • Der Kalibrationsbereich sollte grösser sein als der Arbeitsbereich, um die Leistung in den Grenzbereichen des Arbeitsbereiches zu verbessern. Vorhersagen ausserhalb des Kalibrationsbereichs sind reine Hochrechnungen.

  • Robuste NIR-Kalibrationen erfordern verlässliche Referenzwerte. Standardfehler und Messunsicherheiten der Referenzmethode müssen berücksichtigt werden, denn sie werden in die Kalibrationsmodelle übernommen. Je genauer und präziser die Ergebnisse der Referenzmethode sind, um so genauer und präziser ist das Kalibrationsmodell. Diese Methoden sollten über den Entwicklungszyklus der NIR-Kalibration hinweg konstant gehalten werden, da unterschiedliche Labormethoden abweichende Ergebnisse hervorbringen und im Verhältnis auch bei Genauigkeit und Präzision abweichen können.

NIR vs. IR vs. Raman

Alle drei Analysemethoden bieten einen strukturellen Fingerabdruck und liefern Messergebnisse binnen Sekunden. Trotzdem gibt es Unterschiede.

Tabelle 1: Vor- und Nachteile von NIR-, IR- und Raman-Spektroskopie
 

Vorteile

Einschränkungen

NIR

- bessere Durchdringung von Proben als IR im mittleren Bereich

- Messung heterogenerer Proben möglich (im Gegensatz zu ATR-IR)

- Probenvorbereitung und -verdünnung nicht nötig

- zerstörungsfreie Methode

- Parameter mit polarer Bindung können gemessen werden (O-H, N-H, S-H, C-O usw.)

- einfache Systemkomponenten, einschl. einfache Leuchtmodule als Lichtquelle

- schlechtere Auflösung als IR und Raman

- bei Messung von Proben durch Behälter/Beutel müssen diese ebenfalls kalibriert werden

- anorganische Substanzen oder nicht-polare Moleküle wie Heterozyklen schwierig zu messen

IR

- starke Absorptionsbänder (Grundschwingungen vs. Obertöne)

- gute Trennung von Absorptionsbändern

- kann zur Quantifizierung einzelner Komponenten in einer Mischung durch Stärke des Absorptionsbandes verwendet werden

- kann zur Bestimmung von Substanzen auf Basis von Spektrenbibliotheken verwendet werden

- kann nicht mit Proben verwendet werden, die grosse Wassermengen enthalten, da Wasserspitzen Spitzen von Interesse überlagern könnten

- komplexere Probenvorbereitung (wenn nicht ATR-IR, was eine reine Oberflächenmethode ist)

- preisgünstige und einfach zugängliche Probenhalterungen und Gerätekomponenten (z. B. Fiberglassonden) aus Glasquartz oder Saphir können wegen der ihnen eigenen Absorption nicht verwendet werden

Raman

- zerstörungsfreie Methode

- schmalere Spitzen und bessere Trennung als NIR

- schnellere Messungen durch Laser als Lichtquelle

- keine Partikelgrössen- oder Kristallstrukutreffekte; andererseits könnten diese wichtige Informationen enthalten

- Behälter/Beutel haben nur geringe Auswirkungen auf Messungen

- nur zur Bestimmung nicht-polarer Bindungen verwendbar

- nicht zur Analyse des Feuchtegehalts verwendbar

- Laser als Lichtquelle führt zu mehr Komplexität in Gerätekomponenten und der Gefahr einer Überhitzung der Proben

- Proben, die Fluoreszenz zeigen, sind schwierig zu messen

Insgesamt spielen alle drei Methoden eine wesentliche Rolle in der Qualitätskontrolle und der Verfahrenstechnologie, und es sollte sorgfältig abgewogen werden, welche der drei für die gefragte Anwendung am vorteilhaftesten ist.